Interview mit Georg Jenisch aus dem Kulturmagazin APPLAUS

Alle Möglichkeiten des Figurentheaters. Der Figurentheater-Künstler Georg Jenisch setzt im Münchner Künstlerhaus 
Carl Orffs »Trionfo di Afrodite« in Szene.

APPLAUS Kulturmagazin Juli/ August 2010

 

 

APPLAUS: Herr Jenisch, bereits 2005 haben Sie Carl Orffs Spiel vom Ende der Zeiten als Figurentheater in Szene gesetzt. Jetzt wenden Sie sich Orffs Trionfi zu. Eignet sich das kultische Musiktheater Orffs besonders für eine Inszenierung mit Figuren?



 

GEORG JENISCH: Puppentheater und die Dramaturgie von Orff bilden eine unglaublich schöne Symbiose. Orffs Theater kommt aus dem Kultischen, dem Ritualhaften, den Prozessionen, also dem Schautheater. Und da trifft er wunderbar auf die Puppe, weil die Puppe nicht ist, sondern repräsentiert. Sie steht für ein Gefühl, einen Zustand, eine Person, was auch immer.




 

Sie beginnen Ihren Inszenierungs-Zyklus mit dem letzten Werk von Orffs Trionfi-Zyklus, dem Trionfo di Afrodite. Der erste Teil Carmina Burana soll als Letztes 2012 folgen. Gibt es einen bestimmten Grund für diese umgedrehte Reihenfolge?


 

Der eine Grund ist, dass die Carmina Burana sozusagen als Feuerwerk am Schluss steht. Da das Werk 2012 sein 75-jähriges Bühnenjubiläum hat, bietet sich das an. Zum anderen finde ich es sehr angenehm, im Erarbeiten der drei Stücke die Zeit richtig ablaufen zu lassen. Orff ging bewusst in der Zeit zurück, vom Mittelalter über die lateinische Komödie in Catulli Carmina bis zum schweren, vorzeitlichen Trionfo di Afrodite. Es ist sehr sinnlich, wie er sich in die Mystik hinein- und hinunterbohrt. Und es sagt viel über seine Gedanken aus, wie er sich immer tiefer an das Vorzeitliche heranwagt. 2012 werden wir den gesamten Zyklus auch in der von Orff vorgesehenen Reihenfolge zeigen.




 

Trionfo di Afrodite ist ein orgiastisches Stück. Neben dem »Urpaar«, das ein kultisches Hochzeitsritual feiert, treten auch Jungfrauen und Jünglinge sowie die Liebesgöttin Aphrodite selbst auf. Welche Art von Figuren bringen Sie zum Einsatz?



 

Es ist für den gesamten Zyklus angedacht, dass wir alle Möglichkeiten des Figurentheaters einsetzen. Trionfo di Afrodite ist das archaischste Stück. Es ist am nächsten am Ritual dran. Von daher sind vor allem die Stabpuppen vorherrschend, die durch den Raum, die Zuschauermenge getragen und bespielt werden. Catulli Carmina ist ein kleines, freches Erotikon mit einer unglaublichen Italianita in sich, dessen Leichtigkeit durch die Marionette dargestellt wird. Und in der Carmina Burana werden alle Figurenarten gemischt. Da arbeiten wir auch mit Marotten und Handpuppen. Das ist ja das Spannende. Diese drei Stücke bilden eine Einheit. Es geht immer um eine zentrale Gottgestalt und in irgendeiner Form um Liebe. Dennoch sind sie ganz unterschiedlich. Und das Puppentheater ermöglicht es, die Stimmung jeweils genau umzusetzen. 



 

Bespielen Sie wieder den ganzen Festsaal?



 

Ja, wir bespielen den gesamten Raum, auf einem großen Mittelgang auch den Zuschauerraum. Das bietet sich beim Schautheater an. Orff selbst nannte seine Idee des Schautheaters »Teatrum Emblematicum«. Er griff die frühbarocken Rappresentazioni auf und bezog sich auf die konzentrierte Verdichtung in Rätselgestalt, das Emblem.




 

Bei der Uraufführung führte Herbert von Karajan Regie. Ist die Aufführungsgeschichte des Stücks für Ihre Arbeit relevant?



 

Im Vorfeld sauge ich alles auf, was es um und über das Stück gibt. Da gehört die Aufführungsgeschichte ebenfalls dazu. Da forscht man. Aber in dem Moment, da meine eigenen Gedanken an die Arbeit schreiten, versuche ich, es zu vergessen. Auch verlangt die Inszenierung mit Puppen eine ganz andere Herangehensweise und da muss man sich von vielem lösen. Natürlich brodelt es weiter in einem und regt einen an, andere Wege zu beschreiten oder bereits gegangene Wege zu modifizieren.




 

Die Musik ist bei Carl Orff unglaublich aufwendig instrumentiert. Welche Einspielung verwenden Sie?


 

Wir haben eine wunderbare Aufnahme aus dem Jahr 1975 von Herbert Kegel aus Leipzig gefunden. Ich habe lange geschwankt. Es gibt natürlich die von Orff autorisierten Aufnahmen von Ferdinand Leitner. Aber die Aufnahme von Kegel ist unglaublich präzise und bündig und auch sehr szenisch gedacht. Man hat das Gefühl, die Szene lebt. Darum habe ich mich für diese Aufnahme entschlossen. Es ist eine brillante musikalische Leistung.



 

Interview: Adelbert Reif